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Foto vom Metallschild des Celler Landratsamts 1933-1945KrA Celle
Bei der Kreistagswahl des Jahres 1929 hatte die NSDAP im Landkreis Celle nur zwei von 24 Sitzen erringen können. Die nach der Machtergreifung vorgezogenen Kommunalwahlen im März 1933 brachten der NSDAP dann mit 50 % ein noch besseres Ergebnis als bei der Reichstagswahl eine Woche zuvor. Wie in der Stadt den Oberbürgermeister Ernst Meyer ließen die Nationalsozialisten auch den seit 1919 als Landrat wirkenden Wilhelm Heinichen (1883-1967) weiter im Amt. Dies war nicht ungewöhnlich: Von den 61 Landräten auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen ließen die Nationalsozialisten 36 auf ihrem Posten.
Kommunale Spitzenbeamte wie z.B. Landräte erfuhren durch die Umsetzung des „Führerprinzips“ einen Machtzuwachs, wobei dieser aber durch die parallel agierenden Kreisleiter der NSDAP eingeschränkt wurde. Der Landrat war als Organ der Staatsregierung zuständig für die Leitung der Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung sowie der örtlichen Polizei, zum anderen war er Chef der Kreiskommunalverwaltung sowie Vorsitzender des Kreistages und des Kreisausschusses. Die kommunalen Selbstverwaltungsorgane wurden wie der Kreistag im Juli 1933 aufgelöst, oder ihnen wurden – wie Ende der 1930er Jahre – dem Kreisausschuss wesentliche Kompetenzen entzogen.
Nach der vorgezogenen Kommunalwahl vom März 1933 war die NSDAP mit zwölf von 24 Abgeordneten im Kreistag vertreten. Der gewählte KPD-Abgeordnete Alwin Nickel (geb. 1902) war verhaftet worden und konnte an der konstituierenden Sitzung nicht mehr teilnehmen. Die nur wenigen Sitzungen des Kreistages bis zu seiner Auflösung nutzte die NSDAP vor allem für symbolische Politik: So wurde bei der ersten Sitzung die Hakenkreuzfahne auf dem Kreishaus gehisst und die NSDAP-Abgeordneten marschierten in geschlossener Formation unter musikalischer Begleitung einer SA-Kapelle in das Kreishaus. Der seinerzeitige Kreisleiter Herbert Bangemann (1897-1969) kommentierte dies für die NSDAP im Heimatkalender 1934 so: „Mit dem Einzug in das Kreishaus übernahm sie, auch nach außen hin sichtbar, die Macht im Landkreise Celle.“ Wie schon in der Stadt wurde ein Boykott jüdischer Gewerbetreibender bei Auftragsvergaben des Landkreises gefordert.
Der Celler Landrat Wilhelm Heinichen war zum 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP geworden, und wurde noch im selben Jahr förderndes Mitglied der SS. Heinichens Agieren zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft charakterisiert der Historiker Bernhard Strebel als „übereifrigen Opportunismus“.
Zu seiner Amtsführung in der Zeit des Nationalsozialismus liegen bisher keine Arbeiten vor, die ein abschließendes Urteil erlauben. Dass die Kreisverwaltung und ihr Landrat zum „Vollstreckungsorgan der Diktatur“(Jörg Mielke) wurde, belegt insbesondere ein Bericht Heinichens an den Lüneburger Regierungsvizepräsidenten Kusserow im Anschluss an die Pogromnacht. Aufgefordert zu berichten „über die Ereignisse, die sich in Ihrem Bezirk in Verbindung mit den gegen die Juden gerichteten Maßnahmen abgespielt haben“, schreibt Heinichen u.a.:
"Aus dem Landkreis Celle ist für die Zeit vom 8.-12. November keinerlei Ereignis zu melden, das sich in Verbindung mit den gegen die Juden gerichteten Massnahmen abgespielt hat. Es wohnen im hiesigen Kreise auch nur 3 Juden, nämlich der Jude Oppenheim (Sohn des gleichnamigen früheren Generaldirektors in Hannover) in Winsen (Aller), der geistig nicht ganz normal ist und bei seinem Schwiegervater, dem Bauern Lohmann in Winsen, in der Landwirtschaft arbeitet, und zwei russische Juden in Oldau, die als Kriegsgefangene hiergeblieben und staatenlos geworden sind. Diese wohnen in einer Notwohnung in der Gemeinde Oldau, verdienten etwas mit Schuhflicken und wurden im übrigen von jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen über Wasser gehalten. Ich habe bereits einmal – ohne Erfolg – versucht, sie nach Buchwalde [sic!] abzuschieben, werde diese Bemühungen jedoch jetzt erneuern, da sie sonst unter den jetzigen Umständen der Gemeinde zur Last fallen werden."
Bei den in Oldau lebenden Juden handelte es sich um Jakob Gerschez (geb. 1890) und David Klatschko (geb. 1889). Beide wurden am 29. März 1939 ins KZ Dachau eingewiesen und unter den Häftlingsnummern 2649 und 7173 registriert. Ende September 1939 wurden sie von dort ins KZ Buchenwald eingeliefert, wo Gerschez am 3. August 1940 starb. Klatschko wurde am 30. Mai 1941 an einen der heutigen Gedenkstätte Buchenwald unbekannten Ort überführt. In einer im Gemeindearchiv Hambühren befindlichen Meldekarte von Jakob Gerschez ist sowohl der Abtransport nach Dachau mit Datum vermerkt wie auch das Todesdatum mit „Weimar“ (d.i. Buchenwald) als Ort. Am Rand der Karte ist notiert: „jede Änderung sofort der Geheimen Staatspolizei-Stabsstelle Lüneburg – in Hamburg-Harburg melden.“
Für Jakob Gerschez und David Klatschko sind zum Gedenken vor der Celle Synagoge Stolpersteine gelegt worden.
Wilhelm Heinichen wurde 1945 von den Briten seines Postens enthoben. Sein Wirken als Landrat im Nationalsozialismus ist unter Historikern strittig; in der Diskussion um Straßenumbenennungen in der Stadt Celle im Jahr 2010 sah man von einer Umbenennung des "Wilhelm-Heinichen-Rings“ ab. Diese Ehrung wie auch die Ehrenbürgerwürde der Stadt Celle war ihm als ehrenamtlichem Oberbürgermeister der Stadt Celle (1952-1964) erwiesen worden.
Über die wirtschaftliche Lage sowie die politische und gesellschaftliche Stimmung im Landkreis Celle liefern die monatlich an die zuständige Staatspolizeistelle, für Celle war dies Harburg-Wilhelmsburg, zu erstattenden „Lageberichte“ ein gutes Bild. Sie sind für den Landkreis Celle fast vollständig erhalten.
Literatur: Bertram o.J.; Köhler 2003, Münkel 1991, 75-77; Strebel 2010