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Baracken für französische Kriegsgefangene in der Kampstraße in Klein-Hehlen, Sommer 1942
Baracken für französische Kriegsgefangene in der Kampstraße in Klein-Hehlen, Sommer 1942.
KrA Celle

Schwerste Arbeit, Misshandlungen, primitive Unterkünfte und schlechte Ernährung führten zu Sterbefällen / Dünne Suppe auf Speiseplan / In Unterlüß gab es ein "Erziehungslager" der Gestapo / Mit Lederpeitschen auf Zwangsarbeiter eingeschlagen

CELLE. Im Sommer 1944 arbeiteten fast sechs Millionen zivile ausländische Arbeiter aus 26 europäischen Ländern im Deutschen Reich. Diese damals als "Fremdarbeiter" bezeichneten Menschen wurden während des Zweiten Weltkriegs auch in den Kreis Celle transportiert, weil die Wirtschaft von ihrer Arbeitskraft abhängig war. In die Südheide kamen außergewöhnlich viele Zwangsarbeiter, weil hier besonders kriegswichtige Wirtschaftszweige stark ausgeprägt waren: die Rüstungsindustrie und die Landwirtschaft.
Die Verhältnisse, unter denen die Zwangsarbeiter in den industriellen Lagern leben mussten, wichen erheblich von den Gegebenheiten ab, die ihre Landsleute in der Landwirtschaft antrafen. Tausende arbeiteten in der Rüstungsindustrie bei der Rheinmetall-Borsig AG in Unterlüß, in der Lufthauptmunitionsanstalt Hambühren, in der Heeresmunitionsanstalt Scheuen, in der Luftmunitionsanstalt Höfer und im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Weitere Ausländer kamen in der Kieselgurindustrie in Oberohe und Neuohe nahe Unterlüß, in der Erdölindustrie in Nienhagen und Wietze und in den Kalischächten von Wathlingen, Höfer und Habighorst zum Einsatz.

Jüdische Frauen wie Sklaven behandelt

Wurden die Ausländer zu Beginn des Krieges vornehmlich in der Landwirtschaft eingesetzt, nahmen sie bald auch in Industrie- und Handwerksbetrieben die Arbeitsstellen der Männer ein; die zur Wehrmacht einberufen wurden. Es muss betont werden, dass alle Betriebe, die als kriegswichtig galten, Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene zugeteilt bekamen; um ihre Produktion aufrecht erhalten zu können. Kein Betrieb wurde dazu gezwungen. Durch den aus Einberufungen zur Wehrmacht resultierenden extremen Arbeitskräftemangel war der Ausländereinsatz jedoch eine wirtschaftliche Notwendigkeit.
Diese Arbeitskräfte und ihre Lebensbedingungen dürfen nicht mit den KZ-Außenkommandos verwechselt werden, die es in der Endphase des Krieges in Hambühren-Ovelgönne und Unterlüß gab. Hier wurden jüdische Frauen wie Sklaven gehalten und zu schwersten Arbeiten eingesetzt. Viele überlebten dieses Martyrium nicht.
Die Lebensbedingungen der "normalen" Fremd- beziehungsweise Zwangsarbeiter dagegen waren sehr unterschiedlich. Weithin unbekannt ist, dass ein erheblicher Teil noch sehr jung war. Viele Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren wurden zwangsverpflichtet. Aber auch einige Mädchen und Jungen, die erst 14 oder 15 Jahre alt waren, setzten die Arbeitsbehörden im Celler Land ein.
Die Arbeiter aus Westeuropa erhielten fast den gleichen Lohn wie ihre deutschen Kollegen. Am wenigsten erhielten die "Ostarbeiter" und - nach dem Sturz Mussolinis - die Italiener. Massiv hatten sich die braunen Rassefanatiker zunächst vor allem gegen den Ostarbeitereinsatz gewehrt. Als die Kriegswirtschaft auf diese Menschen nicht mehr verzichten konnte, waren es dann aber die Ideologen, die deren Lebensbedingungen diktierten.
Neben der Herkunft und dem Wirtschaftssektor muss zwischen Zwangsrekrutierten und Freiwilligen differenziert werden.
Zunächst kamen Kriegsgefangene aus Polen, wo unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen die Anwerbung von Zivilisten zum Arbeitseinsatz in Deutschland begann. Die Zahl der Freiwilligen war aber viel geringer als erhofft. Die Mehrzahl der Frauen und Männer wurden deshalb zwangsrekrutiert. Dieser Vorgang wiederholte sich in ähnlicher Weise in allen Ländern, die die Wehrmacht besetzte. Die meisten polnischen Kriegsgefangenen wurden im Frühjahr 1940 freigelassen und als Zivilarbeiter verpflichtet.

In Unterlüß gab es "Erziehungslager"

Für die große Mehrheit der Fremdarbeiter erwies sich die Beschäftigung in der Landwirtschaft wegen der besseren Verpflegung als das bessere Los. Auch in kleinen Betrieben, so belegen Schilderungen ehemaliger Zwangsarbeiter, war die Situation durchaus menschenwürdig. Ganz anders verhielt es sich oft in den großen Industriebetrieben, wo strikt auf die Umsetzung der Ernährungsvorschriften geachtet wurde. Die in der Rüstung tätigen Frauen und Männer lebten abgeschottet in größeren Lagern - allein in Unterlüß über 4000.
Ihr gesamter Alltag unterlag einer scharfen Reglementierung. Ihr Kontakt zur deutschen Zivilbevölkerung beschränkte sich fast ausschließlich auf Begegnungen am Arbeitsplatz. In Unterlüß unterhielt die Gestapo zudem seit Ende 1941 ein "Arbeitserziehungslager", in dem Zwangsarbeiter, die sich geringer Vergehen schuldig gemacht hatten, bis zu sechs Wochen inhaftiert wurden: Schwerste Arbeit, Misshandlungen, primitive Unterkünfte und schlechte Ernährung führten zu zahlreichen Sterbefällen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Rahmen des "Reichseinsatzes" mehr als 3000 ausländische Arbeitskräfte ins Celler Stadtgebiet gebracht.
Für die ankommenden polnischen Zivilarbeiter standen zunächst keine größeren Lager zur Verfügung. Daher brachte man sie in verschiedenen Sammelunterkünften und Einzelquartieren unter. Eine der ersten Gemeinschaftsunterkünfte war die Gaststätte von Jakob Buschheuer in der Windmühlenstraße 95. Im Oktober 1940 wohnten in der ehemaligen Kegelbahn des Hauses 34 polnische Arbeiter. Die Unterkunft wurde als ordentlich und sauber geschildert.
Der Zusammenschluss mehrerer Brennstoffhändler, die Notgemeinschaft Celler Kohlenhändler, gründete in der Riemannstraße ein Lager für ihre polnischen Hilfskräfte. In den folgenden Jahren wurde die Notgemeinschaft zum Betreiber mehrerer Lager; in denen auch die ausländischen Arbeitskräfte vieler kleiner Handwerksbetriebe wohnten.

Prügelnde SS-Streifen gehörten zum Alltag

So mietete die Notgemeinschaft das ehemalige Kriegsgefangenenlager der Gemeinde Westercelle. Eine Überprüfung durch die Gestapo im Oktober 1940 ergab schlimme Zustände in dieser von 28 Polen bewohnten Baracke: "Für Wohnung, Licht und Bettwäsche, die alle vier bis fünf Wochen gewechselt wird, wird pro Woche 3,50 Reichsmark vom Lohn einbehalten. Die Baracke ist in einem völlig verwahrlosten, verdreckten Zustand (verdreckte Bettwäsche, Kehrichthaufen, gardinenlose Fenster usw.). Die drei Wohnräume der Baracke sind nicht heizbar."
Prügelnde SS-Streifen gehörten zum Alltag. Bei den zahlreichen Kontrollen der Zivilarbeiterlager schlugen sie wiederholt mit Lederpeitschen und Gummiknüppeln auf ausländische Arbeiter ein. Die körperliche Züchtigung polnischer Arbeiter durch SS-Patrouillen kam immer wieder vor, wenn sie etwa nach Beginn der nächtlichen Ausgangssperre noch außerhalb ihrer Kammern angetroffen würden oder nächtliche Feiern bemerkt wurden. Auch das Nichttragen des ,;P"-Zeichens, eines Aufnähers zur Kennzeichnung als Pole, der ab März 1940 vorgeschrieben war, konnte mit der Prügelstrafe geahndet werden, zudem eine hohe Geldstrafe und längeren Arrest nach sich ziehen. Die ausländischen Zivilarbeiter unterlagen der deutschen Sozial- und Krankenversicherung. Ärzte und Krankenhäuser stellten die medizinische Versorgung sicher. Die großen Lager hatten eigene Sanitätsbaracken. lm Dezember 1940 wurden im Gemüsegarten des Josefstifts zwei Baracken für polnische Patienten errichtet und in Betrieb genommen. Diese Baracken waren zunächst nur für die Behandlung von Männern vorgesehen, für die polnischen Frauen reichte die Kapazität der Klinik noch aus. Die fabrikneuen Männerbaracken lieferte das DRK. Bald darauf wurde von einer Celler Zimmerei auch eine Frauenbaracke errichtet. Innerhalb des ersten Jahres wurden 1029 Polen stationär in den Baracken des Josefstiftes behandelt.
Am 19. Januar 1941 wurden die Arbeiter aus Buschheuers Gastwirtschaft und allen anderen kleinen Quartieren in die leerstehende Claus-von-Pape-Halle an der Burgstraße verlegt. Die 800 Quadratmeter große Sporthalle nahm 170 polnische Männer auf. Während der nächtlichen Ausgangssperre wurde die Unterkunft verschlossen: Immer wieder klagten die Polen, dass sie nicht satt würden. Oft erhielten sie nur fettlose Steckrübensuppe und minderwertiges Brot.
Bis 1944 erhielten die Westarbeiter Heimaturlaub, während für polnische Arbeiter schon im März 1941 eine Urlaubssperre verhängt wurde, die nur in besonderen Härtefällen Ausnahmen erlaubte. Ostarbeiter erhielten keinen Urlaub. Den Ausländern wurde der Besuch von Gottesdiensten gewährt. Für die Polen fanden in Celle, Bergen, Wietze und Unterlüß 14-tägig eigene Messen statt, in denen aber der Gebrauch der polnischen Sprache verboten war.
In Einzelquartieren verblieben im Stadtgebiet nur noch etwa 20 Polen, deren Arbeitszeit in der Landwirtschaft, in Bäckereien und Schlachtereien die Unterbringung im Lager unmöglich machte.
Mehrere größere Firmen der Stadt richteten eigene Lager für ihre ausländischen Arbeiter ein.
Der größte Arbeitgeber der Stadt, das Seidenwerk Spinnhütte, verfügte über zwei Lager. An Bierwirths Wiese wohnten ohne Bewachung in einer Wirtschaftsbaracke 35 zivile Arbeiter und Arbeiterinnen aus Belgien. Das Werks-Sportheim auf dem Spinnhüttensportplatz an der Vorwerksgasse beherbergte zunächst eine größere Anzahl polnischer Zivilarbeiter. Ab 1942 bewohnten dann etwa 100 Russinnen und Ukrainerinnen aus dem Raum Charkow das Sportheim. Zur Arbeit und zurück führte man sie, und ihre Unterkunft wurde stets bewacht.

Mehrzahl der Lager ohne Überwachung

So entstanden bis 1945 etwa dreißig verschiedene Lager für Kriegsgefangene und Fremdarbeiter im Stadtgebiet und den direkt angrenzenden Gemeinden - die Mehrzahl ohne ständige Bewachung. Ab Oktober 1942 verteilte das Arbeitsamt vierzig "Hausgehilfinnen" aus der Ukraine auf ausgesuchte Haushalte. Die jungen Frauen erfreuten sich großer Beliebtheit, die Nachfrage war groß.
Das Gewerbeaufsichtsamt Celle wies am 3. September 1942 darauf hin, dass als Folge der Unterernährung bei den Ostarbeitern bereits Erkrankungen aufgetreten seien. In den Celler Industriebetrieben standen gewöhnlich dünne Suppen auf dem Speiseplan.
Im Sommer 1942 entschloss sich die Stadtverwaltung, ein neues umfangreiches Lager - an der Burgstraße - für die polnischen Arbeitskräfte zu errichten. Die Pape-Halle war voll ausgelastet, die Polen mussten in der voll belegten Halle kochen, und seit November hatte eine Wanzenplage die Unterkunft heimgesucht.
Die Konzeption sah eine Aufnahmefähigkeit von 500 Personen vor, obgleich zunächst nur die Unterbringung von 300 bis 400 Männer geplant wurde.
Die Einrichtung der Mannschaftsbaracken bestand aus 250 Etagenbetten und 250 Doppelkleiderschränken. Jeder Bewohner erhielt einen Hocker, ein Handtuch und zwei Decken. Ein Strohsack ersetzte die Matratze. Die Bettdecken mussten mit Papierwolle gefüllt werden, da es nicht gelang, Stroh oder Holzwolle für diesen Zweck zu beschaffen.

Ungezieferplage in den Unterkünften

Im Herbst des Jahres 1943 hatten die Bewohner der Lager an der Burg- und Riemannstraße erneut unter einer Ungezieferplage zu leiden. Die Arwic-Werke, die Sackkarren herstellten, sahen sich gezwungen, ihre Fremdarbeiter umzuquartieren: "Unsere französischen Gefolgschaftsmitglieder, die in der Baracke Riemannstraße untergebracht sind, beschweren sich schon seit Wochen über Wanzen [...], sind am Körper teilweise völlig zerfressen [...] und bringen uns heute zehn Wanzen, die lebendig sind?. Die Lage spitzte sich im Januar 1944 zu, als ohne Vorankündigung ein größerer Transport mit Ostarbeitern in Celle eintraf, die man nur im Polen-Lager an der Burgstraße unterbringen konnte.
Erst im Juni 1944 erhielt Celle für die Ostarbeiter eine eigene Krankenhausbaracke, die durch das Landesarbeitsamt beim Kinderhospital am Allgemeinen Krankenhaus aufgestellt wurden. Vorher wurden erkrankte Ostarbeiter in das zuständige Krankenhaus in Lehrte gebracht.
Im Februar 1945 wurden angesichts der extremen Überbelegung zwei weitere Baracken aufgestellt. Beim Einmarsch der Briten in Celle im April 1945 befanden sich etwa 100 Polen im Lager an der Burgstraße.

 Aus: Cellesche Zeitung vom 08.01.2000