Die Celler Lobetalarbeit hat eine Vorgeschichte im mecklenburgischen Lübtheen. Dort betreuten Diakonissinnen seit 1928 in einer Heimeinrichtung u.a. rund 50 behinderte Kinder; bis zum April 1941 – dann ließ der damalige Schweriner Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt das Heim räumen; von ihm stammt die titelgebende Zeile: „Lobetal habe ich säubern lassen.“ (Vorgeschobener) Grund: Die Gebäude müssten der Kriegsmarine zur Verfügung gestellt werden. Die behinderten Lobetal-Kinder wurden in die Sachsenberg-Klink in Schwerin abtransportiert und dort auf dem Kinderstationen ermordet: „Man entzog den kleinen Patienten die Nahrung, gab ihnen hohe Dosen Veronal, Luminal oder Morphium, um sie in großer Zahl systematisch um ihr Leben zu bringen.“

Michel Piper, der frühere Chefredakteur der »Evangelischen Zeitung« schildert in einem jetzt von der Lobetalarbeit Celler herausgegebenen Buch die Geschichte dieser Euthanasie-Morde. Er beschreibt darin auch den Vorlauf der Celler Einrichtung sowie die Arbeit und das Schicksal der Lübtheener Diakonissinnen.

Interessanterweise hatte sich im November 1940 August Dallmeyer, Inspektor des Mecklenburgischen Gemeinschaftsverbandes und Mitglied im Lobetal-Vorstand an den Reichinnenminister gewandt: „Als Volksgenosse [...] erlaubt sich der Unterzeichnete deshalb zum Ausdruck zu bringen, dass die Regierung mit der oben erwähnten Verfügung ohne Zweifel die ihr von Gott gesetzte Grenze überschreitet [...] sie hat nicht das Recht, das Leben – und wäre es das minderwertigste – zu vernichten, wie es in diesem Fall beabsichtigt ist.“

Piper fragt aber, warum es insgesamt so wenig Gegenwehr gab. Antworten hat er nicht. Verblüffen muss weiter, dass weder die Diakonissinnen noch Lobetal nach 1945 zu einer anklagenden oder wenigstens aufarbeitenden Instanz wurden.

Piper, Joachim: „Lobetal habe ich säubern lassen.“ Arbeit und Schicksal der Lübtheener Diakonissen. Zur Vorgeschichte der Lobetalarbeit in Celle. Celle 2010. ISBN 978-3-00-032955-5, 112 S., 5 EUR.

Aus: revista. linke zeitung für politik und kultur in celle, Nr. 53, März/April 2011, S. 23.

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