Celle zwischen 1933 und 1945: Machtübergabe/übernahme und die Phase der Machtkonsolidierung 1933/34

Im Folgenden werden die in Celle stattfindenden Ereignisse vom Januar 1933 bis Oktober 1934 beschrieben. Dieser Zeitraum entspricht ungefähr der Phase der Errichtung der Diktatur. Um die Macht abzusichern, mußten auf den drei staatlichen Ebenen - Reich, Länder und Kommunen - die republikanischen Kräfte und Institutionen "gleich-" bzw. ausgeschaltet werden.

In dem Kasten "Wer forcierte die Machtübergabe an Hitler? wollen wir anhand der dort zitierten Quelle belegen, daß hinter der angeblichen "Machtergreifung" u.a. gezielte Interessen des Kapitals standen. Im Kasten "Nationalsozialismus" oder "National-'sozialismus'"? soll am Beispiel der Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung die Wahl der in diesem Text verwendeten Schreibweise begründet werden. Die antisemitischen Aktionen und Maßnahmen werden im nächsten Artikel näher beleuchtet und sind daher nur kurz erwähnt.

Machtübergabe
Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Um ihrem Unmut hierüber Ausdruck zu verleihen, veranstalteten die Celler SPD um 15 Uhr und die Celler KPD um 17 Uhr des nächsten Tages Demonstrationen. Diesen schlossen sich einige Hundert Personen an.
Am Abend desselben Tages formierten sich auf der Stechbahn etwa 500 Mitglieder der NSDAP, SA, SS und HJ sowie des Stahlhelm zu einem Fackelzug, um ihrerseits Stärke zu demonstrieren und ihren Sieg zu feiern. Zwar waren die GegnerInnen des Faschismus noch nicht ausgeschaltet, aber schon im August 1932 hatte der spätere Reichspropagandaleiter Goebbels räsoniert: "Haben wir die Macht, dann werden wir sie nie wieder aufgeben, es sei denn, man trägt uns als Leichen aus unseren Ämtern heraus."
Doch ganz ungestört lief diese "Feier" nicht ab: Mitglieder beider Arbeiterparteien hatten sich spontan zu einer Gegenkundgebung am "Braunen Haus" (Sitz der NSDAP in der Kanzleistraße 11; später wurde dieser in die Trift 20/21 verlegt) getroffen. Es kam zu Rangeleien, doch die Polizei sorgte dafür, dass die National-"sozialisten" ungestört weiter marschieren konnten.

Beginnende Ausschaltung der Linken
Die nächsten Schritte der Nazis zielten auf die Festigung bereits errungener Machtpositionen sowie auf die Ausschaltung direkter GegnerInnen und die Lähmung bzw. Beseitigung widerstrebender Organisationen und Institutionen.
In diesem Zusammenhang kamen den Notverordnungen vom 4. und 28. Februar eine zentrale Bedeutung zu: Während die Verordnung "zum Schutz des deutschen Volkes" vom 4. Februar politische Versammlungstätigkeit und Pressefreiheit einschränkte und Gefängnisstrafen für die Teilnahme an verbotenen Versammlungen sowie für die Drucklegung und Verbreitung verbotener Schriften verfügte, wurden durch die Verordnung vom 28. Februar ("Reichstagsbrandverordnung") auch bestehende Grund- und Verfassungsrechte außer Kraft gesetzt und damit ein Ausnahmezustand geschaffen, der bis zum Ende des "Dritten Reiches" andauern sollte.
Vor diesem Hintergrund wurde am 11. Februar in Celle die kommunistische "Neue Arbeiter-Zeitung" zunächst befristet und wenig später auf Dauer verboten. Ende des Monats wurde auch die sozialdemokratische "Celler Volkszeitung" verboten.
Den vorläufigen Höhepunkt erreichten die Repressalien gegen die Arbeiter(Innen)bewegung in Celle am 28. Februar. Es fanden Hausdurchsuchungen im ArbeiterInnenviertel Blumlage und in der St. Georg-Straße statt, bei denen Schriftmaterial, Waffen und Munition beschlagnahmt wurden. Im Anschluss an diese Aktion nahm die Polizei bis zum 3. März 13 Personen, darunter den Führer der Celler KPD, Bürgervorsteher Otto Elsner, in "Schutzhaft". Fünf weitere Kommunisten, die zunächst fliehen konnten wurden am 13. März unter Anwendung von Waffengewalt festgenommen.
Doch damit nicht genug: Am 15. März begann die Polizei, unterstützt von als Hilfspolizisten eingesetzten SA-und SS-Männern, mit einer Serie großangelegter Razzien, die auch die sozialdemokratisch dominierten Arbeiterviertel Neustadt und Heese erfaßten. Viele Wohnungen wurden hierbei demoliert, zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der KPD und SPD wie auch der Gewerkschaftern wurden verhaftet. Außerdem führte die Fahndung zur Entdeckung des kommunistischen Schwarzsenders, der bereits 1932 während des Verbotes der kommunistischen Presse häufig gesendet hatte und auch nach dem 30.01.1933 noch zu hören war.

Die Märzwahlen
Sinn der Ernennung des "Gefreiten" Hitlers zum Reichskanzler war u.a., einer Regierung der "Nationalen Konzentration" eine Massenbasis - eben die NSDAP bzw. ihre Wähler(Innen) - und damit die für eine solche Regierung notwendig erachtete Legitimation aus dem "Volk" zu verschaffen (siehe erster Kasten). Also wurde der Reichstag per Notverordnung am 1.2. 1933 aufgelöst und Neuwahlen für den 5.3. 1933 angesetzt.
Vor den Märzwahlen entfaltete die NSDAP eine massive Propagandatätigkeit. Hierfür standen der Celler Kreisleitung in erster Linie ihre eigene Zeitung, der "Celler Beobachter" zur Verfügung. Auch die traditionell nach rechts neigende "Cellesche Zeitung", die durch die Tonart ihrer Berichterstattung und die Auswahl ihrer Leitartikel eindeutig Sympathien für die neue Regierungspartei verriet, unterstützte dem Wahlkampf der National-"sozialisten". Ihre Macht demonstrierten die Anhänger Hitlers durch ihre Stärke, Großveranstaltungen und Aufmärsche zu organisieren. (Hierbei kam die "Effizienz" des "Führerprinzips" zur Geltung, welches auf der Parole "Führer befiehl, wir folgen", und das auf allen Ebenen, basierte. So gab es z.B. "Betriebsführer", HJ-Führer usw.)
Der Wahlkampf der NS-Hauptwidersacher wurde hingegen durch die bereits erwähnten Notverordnungen, also die Unterdrückung bzw. das Verbot ihrer Presseorgane und das Verbot, Veranstaltungen durchzuführen, verunmöglicht. Eine Versammlung der "Eisernen Front" (Koordinationsvereinbarung zwischen dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold [unterstützt von kleinen Gruppen der Zentrumspartei und der DDP gründete die SPD am 22.2. 1924 das Reichsbanner als Verband republikanischer Kriegsteilnehmer zum Schutz von Republik und Demokratie gegen national-konservative Wehrverbände wie den "Stahlhelm"], der SPD, dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Arbeitersportverein vom Dezember 1931, gerichtet gegen die "Harzburger Front" [Zusammenschluß der NSDAP, DNVP und anderer rechtsextremer bzw. faschistischer Kräfte] und gegen den Aufstieg des National-"sozialismus" in Deutschland) wurde zunächst genehmigt, aber sofort aufgelöst, als sie eröffnet werden sollte. Nach dem Verbot der Eisernen Front und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold durften sich die Celler Sozialdemokrat(Inn)en überhaupt nicht mehr treffen.
In Celle stimmten dann bei der Reichstagswahl am 5. März 53,8% der Wahlberechtigten für die Regierung Hitlers, d.h. die NSDAP erhielt 45,9% und die "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" 7,9% der abgegebenen Stimmen (zum Vergleich: reichsweit erhielt die NSDAP 43,9%, mit der DNVP zusammen erhielt die Regierungskoalition 51,8% der Stimmen). Die SPD erhielt in Celle 25,4, die KPD 11,7, die DVP 3,1, die DHP 3,0, die linksliberale Deutsche Staatspartei 0,5 und das Zentrum 2,4%.
Am 8. März feierte die "Nationale Front" ihren Wahlerfolg mit einem Zeremoniell der symbolischen Besitzergreifung der öffentlichen Gebäude in ganz Deutschland. Der in Celle stattfindenden Flaggenhissung, zu der NSDAP und Stahlhelm aufgerufen hatten, wohnten mehrere Tausend Menschen bei. Beflaggt wurden Rathaus, Polizeigebäude (Bergstraße), Landratsamt (Trift), das Schloß und OLG.
Die Duldung der Flaggenhissungen durch die Stadtverwaltung bedeutet schon Vor den Neuwahlen am 12. März eine Art Kapitulation, zumindest aber das Eingeständnis der eigenen Schwäche und verdeutlichte welche Richtung auf dem Rathaus in Zukunft eingeschlagen würde.
Kommunalwahlen
Um auch auf kommunaler Ebene Mehrheitsverhältnisse zu erlangen, die denen im Reichstag entsprachen, löste Göring, stellvertretender Reichskommissar für Preußen und preußischer Innenminister, schon wenige Tage nach der Machtübergabe die bestehenden Gemeindeverordnungen auf und schrieb Neuwahlen für den 12. März aus.
Trotz massiver Repressionen gegen die Arbeiterparteien seitens der National-"sozialisten", brachten die Kommunalwahlen, die zugleich "Instrument der Machtübernahme wie äußerliche Legitimationsgrundlage" sein sollten, den Nazis in Celle mit 14 Sitzen nur die relative Mehrheit.
Schon bevor das neugewählte Bürgervorsteherkollegium das erste Mal zuammentrat, erzwangen die Nazis am 16. März den Rücktritt des Sozialdemokraten Ernst Schädlich, der als zweithöchster Verwaltungsbeamter praktisch die Funktion eines stellvertretenden Bürgermeisters ausübte.
Wenige Tage nach der Wahl schieden der Strafanstaltswachtmeister und langjährige sozialdemokratische Bürgervorsteher Wilhelm Kielhorn und der stellvertretende Direktor des Arbeitsamtes Rabe, ebenfalls SPD, aus dem Dienst aus.
Celles Oberbürgermeister Ernst Meyer hingegen verblieb im Amt. Er genoß die unumstrittene Unterstützung des Bürgertums und besaß für die Nazis zunächst wohl unverzichtbare Qualitäten als Verwaltungsfachmann. Da er sich ihren Maßnahmen nicht widersetzte, verzichteten die Nazis auf seine Ablösung. (Am 24. April löste sich die DVP, der auch Meyer angehörte, selbst auf, nicht ohne gleichzeitig die Mitglieder aufzufordern, die "Regierung der nationalen Erhebung" zu unterstützen.)

Die erste Sitzung des neuen Bürgervorsteherkollegiums ...
... fand am 24. März statt. Auch in Abwesenheit der beiden Vertreter der KPD, welche sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befanden, besaßen die National-"sozialisten" nur die Hälfte der Stimmen. Sie sicherten sich mit den Stimmen der bürgerlichen Abgeordneten zunächst den Posten des Vorsitzenden den Kollegiums ("Worthalter") und damit - da dessen Stimme in Patt-Situationen den Ausschlag gab - die absolute Mehrheit. Die SPD-Fraktion beteiligte sich nicht an der Wahl des Rechtsanwalts Focko Meiborg zum Worthalter des Bürgervorsteherkollegiums.
Die jetzt sichergestellte NSDAP-Mehrheit wählte den Kreisleiter der NSDAP Pakebusch zum stellvertretenden Bürgermeister.
Weiterhin kam es in dieser ersten Sitzung noch zur Wahl der sechs zu bestimmenden unbesoldeten Senatoren. Neben drei Nazis wurden auch zwei SPDler und einer von der "Bürgerliste" gewählt, allerdings wurden nur die drei Nazis vom Lüneburger Regierungspräsidenten kommissarisch in ihre Ämter eingesetzt.
Eine der nächsten Initiativen seitens der Nazis zielte auf die Umbenennung des Bahnhofstraße in Hindenburgstraße und des Unionsplatzes in Adolf-Hitlerplatz, ihr wurde zugestimmt.
Auch der Antrag, das Rathaus an Sitzungstagen der städtischen Körperschaften mit schwarz-weiß-roten und der Hakenkreuzfahne zu beflaggen, wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Das war erst der Anfang ...
Die Zustimmung der Celler Bevölkerung zu NS-Ideologie und -Praxis dokumentiert sich in der im Frühjahr 1933 einsetzenden Welle von Eintritten in die NSDAP und ihre Formationen. Viele schlossen sich an, da sie sich Vorteile hiervon versprachen.
Im Zuge reichsweiter Aktionen kam es auch in Celle am 1. April zum Boykott jüdischer Geschäfte und Anwaltspraxen. Am 6. April wurde einem Antrag der NSDAP im Magistrat zugestimmt jüdische Geschäfte und Unternehmen von städtischen Aufträgen auszuschließen (siehe nächster Teil).
Am 1. Mai wurde anläßlich des von den Nazis in ihrem Sinne uminterpretierten "Tag der nationalen Arbeit" auch in Celle ein Festzug veranstaltet, an dem sich der "CZ" zufolge nicht weniger als zehntausend Teilnehmer beteiligten.
Am 2. Mai folgte dann die reichsweite Gleichschaltung der freien Gewerkschaften. In Celle besetzten Angehörige der NSBO (NS Betriebszellen-Organisation) die Geschäftsstellen des Zentralverbandes der Angestellten, des Metallarbeiterverbandes und des Fabrikarbeiterverbandes.
Im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die SPD und ihre Nebenorganisationen besetzte die SA am 16. Mai auch das Sportheim der Freien Turnerschaft am Neustädter Holz, das bald darauf in ein städtisches Jugendheim umgewandelt wurde.

Widerstand?
Trotz der massiven Repressionen gegen die Arbeiterparteien wurden nur mit kurzen Unterbrechungen bis 1934 in Celle antifaschistische Materialien verbreitet. Mitglieder der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei, 1931 gegründet von der Mehrheit der SPD-Linken) unterhielten Kontakte nach Hannover und brachten von Radtouren in den Fahrradrahmen versteckte, kleinformatige Zeitungen auf Dünndruckpapier mit.
Auch die KPD verbreitete weiterhin antifaschistische Flugblätter und Zeitungen.
Die Celler Kommunisten waren auf die Machtübernahme durch die Nazis vorbereitet. Die Leitung war in drei Staffeln gegliedert, die beim Ausfall der jeweils Leitenden nacheinander deren Funktion übernahmen.
Die Verhaftungswelle von 1933 machte ihrer Tätigkeit deshalb kein Ende. Da sie ihren Vervielfältigungsapparat nicht mehr besaßen, wurden Plakate im Linolschnittverfahren hergestellt, diese wurden nachts im Stadtgebiet verklebt. Außerdem sammelten sie Geld zur Unterstützung politischer Gefangener.
Das Ende dieser Aktivitäten kam im Oktober 1934, als eine großangelegte Aktion gegen die KPD in Celle durchgeführt wurde. Hierbei wurden 45 Personen festgenommen.
Außer von kommunistischer Seite wurde in Celle Widerstand im Sinne planvollen Handels von Gruppen oder Einzelpersonen nicht geleistet. Die Celler SPD, schon immer auf das Legalitätsprinzip fixiert, zog sich ins Privatleben zurück und bemühte sich, so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich herauszufordern. Nach der Zerschlagung der KPD wurde am 22. Juni auch die SPD verboten. Am 29. Juni traten die städtischen Körperschaften Celles daher erstmals ohne die Bürgervorsteher der SPD zusammen.

AG 8.April 1945

[Exkurs:] Wer forcierte die Machtübergabe an Hitler?

Das Kabinett des Franz v. Papen hatte kurz vor seinem Rücktritt mittels Notverordnung die letzten Reste des Tarifrecht de-facto abgeschafft. Ende 1932 -mittlerweile amtierte das letzte der Präsidialkabinette unter General von Schleicher- war ein wirtschaftlicher Aufschwung für Anfang 1933 absehbar. Dann wäre es für eine Zerschlagung von Gewerkschaften wie der "Roten" überhaupt sowie für eine Abschaffung des Parlamentarismus zu spät gewesen, weshalb sich führende Industrielle des Deutschen Reiches zusammen mit Vertretern des Großgrundbesitzes und einigen Bankiers am 19.11.1932 schriftlich an den Reichspräsidenten wandten: "Ew. Exzellenz, hochzuverehrender Herr Reichspräsident! Gleich Euer Exzellenz durchdrungen von heißer Liebe zum deutschen Volk und Vaterland, haben die Unterzeichneten die grundsätzliche Wandlung, die Eure Exzellenz in der Führung der Staatsgeschäfte angebahnt haben, mit Hoffnung begrüßt. Mit Eurer Exzellenz bejahen wir die Notwendigkeit einer vom parlamentarischen Parteiwesen unabhängigen Regierung, wie sie in den von Eurer Exzellenz formulierten Gedanken eines Präsidialkabinetts zum Ausdruck kommt. Der Ausgang der Reichstagswahlen vom 6. November d.J. hat gezeigt, daß das derzeitige Kabinett, dessen aufrechten Willen niemand im deutschen Volk bezweifelt, für den von ihm eingeschlagenen Weg keine ausreichende Stütze im deutschen Volk gefunden hat, daß aber das von Eurer Exzellenz gezeigte Ziel eine volle Mehrheit im deutschen Volk besitzt, wenn man - wie es geschehen muß - von der staatsverneinenden kommunistischen Partei absieht. Gegen das bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die Deutschnationale Volkspartei und die ihr nahestehenden kleinen Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel Eurer Exzellenz bejaht. Wir halten dieses Ergebnis für außerordentlich erfreulich und können uns nicht vorstellen, daß die Verwirklichung dieses Zieles nunmehr an der Beibehaltung einer unwirksamen Methode scheitern sollte." Deshalb - so heißt es in diesem Brief weiter - erachten es die unterzeichneten Herren für ihre "Gewissenspflicht", den Reichspräsidenten "ehrergiebigst zu bitten", nunmehr Hitler, "den Führer der größten nationalen Gruppe", mit der Leitung eines "mit den besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts zu betrauen." Die kleinen Schwächen und Fehler, "die jeder Massenbewegung notgedrungen anhaften", würde man dann schon "auszumerzen" wissen.
"Auszumerzen" waren offensichtlich die "antikapitalistischen" Inhalte der NSDAP, was sich kurz darauf durch die Entmachtung Gregor Strassers, Wortführer des "antikapitalistischen" Parteiflügels, zeigte. Nun hatten die Industriellen überhaupt keine Bedenken mehr gegen einen Reichskanzler Hitler.

[Exkurs:] "Nationalsozialismus" oder "National-'sozialismus'"?
Am 2. Mai 1933, wurden, nach einem bereits am 21. April in allen Einzelheiten festgelegten Plan sämtliche Gewerkschaftshäuser im Deutschen Reich von bewaffneter SA besetzt, alle Vermögenswerte der Gewerkschaften beschlagnahmt und die meisten Gewerkschaftsfunktionäre in "Schutzhaft" genommen. Am 17. Mai setzte die Reichsregierung per Gesetz "Treuhänder der Arbeit" ein, die künftig ohne Mitsprache der ArbeiterInnenschaft sämtliche "Bedingungen für den Abschluß von Arbeitsverträgen" in ihrem jeweiligen Wirtschaftsbereich rechtsverbindlich festlegen und alle erforderlichen Maßnahmen "zur Sicherung des Arbeitsfriedens" treffen. Ein solcher "Treuhänder der Arbeit" wurde bspw. Fritz Thyssen, Chef des größten
Stahlkonzerns. Gleichzeitig wurde das Streikrecht abgeschafft und Betriebsräte waren nunmehr auch nicht mehr vorgesehen. Dr. Robert Ley, Führer der die Gewerkschaften "ersetzenden" "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) versprach den Industriellen, "den naturgegebenen Führer eines Betriebs, das heißt dem Unternehmer, die absolute Führung wiederzugeben".

AG 8. April 1945 (1997): Celle zwischen 1933 und 1945
Machtübergabe/übernahme und die Phase der Machtkonsolidierung 1933/34;

Aus: Publiz. Politik und Kultur aus Celle, Nr. 26, Okt., S. 13-15., 01.10.1997