Kommunistischer Widerstand

Mitglieder des RFB Celle ca. 1928, u.a. Hans Orth, Paul Hartmann und Heini Schang Berger
Mitglieder des RFB Celle ca. 1928, u.a. Hans Orth, Paul Hartmann und Heini Schang  <span>Berger</span>
Der Celler KPD-Vorsitzende Otto Elsner (1888-1975) <span></span>
"Das Rote Sprachrohr", Ausgabe vom 7.8.1932, Text: "So darf es nicht enden" <span>StA Celle</span>

Der entschiedenste Widerstand gegen den Nationalsozialismus ging in den Jahren 1930 bis 1934 in Celle von Mitgliedern der Kommunistischen Partei aus. Diese hatte in der Stadt Celle rund 350 Mitglieder und war 1933 mit zwei Bürgervorstehern im Stadtrat vertreten (Otto Elsner und Louis Schuldt). Bei der Kommunalwahl 1929 hatte sie 8,2 %, und bei der Wahl im März 1933 9,0 % der Stimmen erhalten. Ihre Anhänger lebten hauptsächlich in den Stadtteilen Blumlage und Neustadt. Hier lagen auch die Lokale, in denen die KPD hauptsächlich ihre Versammlungen und Veranstaltungen durchführte: „Zum Schwarzen Bären“ (Blumlage 67) und der „Schützenhof“ (Neustadt 64).

Die KPD bereitete sich ab 1932 auf konspirative Widerstandsarbeit vor, wobei eine ihrer Unterorganisationen, der Rotfrontkämpfer Bund (RFB), die Führung übernahm. Die Propagandatätigkeit sollte u.a. mit Flugschriften mit einem illegalen lokalen Radiosender weitergehen; und man bereitete sich auch auf bewaffnete Auseinandersetzungen vor.

Mit dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 und der daraufhin erlassenen „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) wurden Grundrechte suspendiert und ein permanenter ziviler Ausnahmezustand hergestellt, der sich in der ersten Phase vor allem gegen die kommunistische Opposition richtete. In Celle fand sofort eine Reihe von Hausdurchsuchungen in der Blumlage statt. Bis zum 3. März wurden 13 Mitglieder der KPD verhaftet, darunter die beiden Bürgervorsteher. Fünf weitere Kommunisten wurden am 13. März in einem getarnten Unterstand in Altencelle festgenommen.

Bei einer Durchsuchung der Gebäude und des Grundstücks in der „Masch“ gelang es der Polizei jedoch schon am 18. März 1933, Teile des Schwarzsenders und ein Waffenlager auszuheben. Insgesamt wurden zehn Gewehre, eine Leuchtpistole, ein Trommelrevolver, eine Mehrladepistole und eine Handgranate sowie Schwarzpulver und über 1000 Schuss Munition gefunden. Das im RFB-Jargon „Archiv“ genannte Lager befand sich in einem Stallraum im Gebäude Maschplatz 4. Bei der Sanierung der Blumlage in den 1970er Jahren sind die Gebäude abgerissen worden.

Seit Anfang 1932 wurde von der Celler KPD „Das Rote Sprachrohr“ hergestellt, eine zumeist wöchentlich erscheinende Druckschrift, die – wie es in einer Anklageschrift von 1934 hieß – „neben Stadtklatsch, dessen Tendenz die Verächtlichmachung von Stadtorganen wie Bürgermeister, Polizeibeamte usw. war, auch hochverräterische Artikel enthielt“. Die Zeitung erschien bis Mitte März 1933. Die Auflage scheint bei etwa 500 Exemplaren gelegen zu haben. Gedruckt wurde die Zeitung in Wohnungen in der Kirchstraße und in der Hugenottenstraße. Als Verantwortlichen für die Herausgabe sah die Staatsanwaltschaft u.a. Paul Hartmann (geb. 1907) an. Er wurde nach diversen Haftstrafen aufgrund seiner politischen Vergangenheit im Februar 1942 zu dem „Bewährungsbataillon 999“ einberufen, das als Strafbataillon den eingesetzten Soldaten kaum Überlebenschancen bot. Hartmann kam im Oktober 1944 in Griechenland ums Leben. Für ihn ist vor seiner ehemaligen Wohnung in der Birkenstraße 19 ein Stolperstein verlegt worden.

Im April 1934 wurden 24 Celler Kommunisten vor einem Sondergericht u.a. des Hochverrats angeklagt und zum Teil zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte die Angeklagten, dass

sich in Celle die KPD für die Erreichung ihrer hochverräterischen Ziele in besonders intensiver Weise betätigt [habe], indem

a) der verbotene RFB illegal aufrecht erhalten wurde,

b) zur Bewaffnung der Roten-Bürgerkriegs-Armee ein Waffenlager angelegt, ferner auch Sprengstoff angeschafft wurden,

c) die Massen durch Verbreitung revolutionärer Druckschriften gegen die Regierung aufgehetzt wurden,

d) ein Schwarzsender in Betrieb gesetzt wurde, durch den revolutionäre Sendungen verbreitet wurden.

Noch mehr als zwei Jahre nach der „Machtergreifung“ störten KPD-Mitglieder die zentrale Veranstaltung zum „Tag der nationalen Arbeit“. In einer Wiedergutmachungssache schilderte der Arbeiter Alfred Hossbach 1949 diese Aktion so:

Im Februar 1935 wurde ich nach Verbüßung einer zweijährigen Gefängnisstrafe wegen Vorbereitung zum Hochverrat aus der Strafhaft entlassen. Ich wohnte damals in der Langenbeckstr. Am 1. Mai 1935 veranstaltete die NSDAP auf dem Saarfeld eine Kundgebung, in der eine Führerrede übertragen werden sollte. Am Morgen des 1. Mai begab ich mich zu dem Gesinnungsfreund Georg Wolter nach der St. Georgstr. 37. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, die Maikundgebung der NSDAP zu stören. Bekanntlich wird jeder Radioempfangsapparat, wenn die Rückkopplung eingestellt wird, zum Sender, der alle Empfangsgeräte in der Umgebung stört. Wir schalteten also das Radiogerät des Wolter ein, koppelten zurück und störten somit die Veranstaltung der NSDAP, die Führerübertragung wurde damit für die Teilnehmer undeutlich. Telefonisch herbeigerufene polizeiliche Suchtrupps machten die weitere Störung unmöglich, denn wir mussten jetzt unsere Aktion unterbrechen, um nicht erneut in die Hände der Gestapo zu fallen.

Ingesamt dürften über 50 Mitglieder der KPD in den Jahren 1933 bis 1945 in Haft gewesen sein.

Drei Beispiele:

Einer der Celler Kommunisten, der 1903 geborene Dachdecker Heinrich Schang, wurde erstmals am 28. März 1933 verhaftet und blieb bis zum 9. Mai 1934 zunächst in Untersuchungshaft. Am 10. Oktober 1934 wurde er erneut verhaftet und am 6. April 1934 zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Diese Strafe verbüßte er im Celler Zuchthaus bis zum 18. April 1938. Doch statt freigelassen zu werden, wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, wo er bis zum 9. November 1944 inhaftiert war. Dann wurde er mit anderen Konzentrationslagerhäftlingen zur berüchtigten SS-Einheit Dirlewanger überstellt. Am 12. Dezember sollte die Truppe erstmals zum Einsatz kommen. Im Wissen darum, dass sie in einem Todeskommando steckten, liefen etwa 400 Mann der Dirlewanger-Truppe zur Roten Armee über. Der Krieg war damit für Heinrich Schang schnell vorbei. Aber erst im September 1946 wurde er aus der Sowjetunion zurück nach Deutschland. Schang verbrachte von allen Celler Kommunisten die längste Zeit in Zuchthäusern und Konzentrationslagern. Das Urteil gegen ihn wurde 1950 aufgehoben.

Der Celler KPD-Vorsitzende Otto Elsner (1888-1975) wurde am 4. März 1933 erstmals verhaftet und bis zum 7. September 1933 inhaftiert. Nach einem Hochverratsprozess saß er vom 18. Oktober 1934 bis zum 18. Januar 1936 im Zuchthaus Celle seine Strafe ab. Auch er wurde nicht entlassen, sondern kam anschließend in das Konzentrationslager Esterwegen, dann nach Sachsenhausen. Erst am 6. Januar 1938 wurde er entlassen. Dass die Gestapo weiterhin ein Auge auf die Celler Kommunisten hatte, zeigen weitere Verhaftungen, z.B. für einen Monat im November 1939 im Anschluss an den Attentatsversuch von Georg Elser in München.

Im Konzentrationslager oder Gefängnis ermordet wurde keiner der inhaftierten Celler Kommunistinnen und Kommunisten. Einen Tag vor dem Einmarsch der Alliierten in Celle, in der Nacht vom 10. auf den 11. April 1945, wurde Heinrich Eggers aber auf der Bahnhofstraße von einem Nazi erschossen. Eggers, als KPD-Mitglied zwischen Februar und Juli 1934 in Haft, war unterwegs, um Flugblätter zu verteilen. Für ihn wurde zum Gedenken vor seinem Wohnhaus in der Bergstraße 10 ein Stolperstein verlegt.

Über die Haftzeiten und Details der jeweiligen Verfolgungsgeschichte geben für viele Celler Kommunisten die im Hauptstaatsarchiv Hannover befindlichen Wiedergutmachungsakten Aufschluss. Die erfahrene materielle Entschädigung im Rahmen der Bundesentschädigungsgesetzgebung steht in krassem Widerspruch zu der nur geringen gesellschaftlichen Anerkennung des kommunistischen Widerstands in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. – Ein im Rahmen des Geschichtswettbewerbs „Alltag im Nationalsozialismus“ der Hamburger Körber-Stiftung 1981 entstandener Beitrag von drei Schülern des Hölty-Gymnasiums bietet auf Grundlage eines Interviews mit dem ehemaligen KPD-Mitglied Paul Schang ein dichtes Bild der lokalen Widerstandsaktivitäten.

Literatur: Bahr u.a. 1981, Bertram o.J., DKP-KV Celle 1986.

 

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