Rundgang zu Orten der Judenverfolgung soll Geschichte lebendig erhalten

Fachwerkhäuser mit liebevollen Details: Doch was sich in den Zeiten des Nationalsozialismus in Celle hinter den Fassaden abgespielt hat, ist nicht allen bekannt. Die Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes lebendig zu erhalten, das ist das Anliegen von Reinhard Rohde und Nils Nadrowski. Sie führten am Donnerstag Besucher zu den Orten in Celle, an denen dis Nazis ihre Verbrechen gegen Juden und Regime-Gegner begangen haben.

Zeitreise ins nationalsozialistische Celle

CELLE. "Für viele Jugendliche ist Auschwitz heutzutage sm Ort im Irgendwo. Wir müssen aufpassen, dass aus dem Irgendwo nicht schon bald ein Nirgendwo wird", sagt Reinhard Rohde. Aus diesem Grund bietet der Politikwissenschaftler gemeinsam mit dem Geschichtsstudenten Nils Nadrowski Stadtrundgänge in Celle an, in dessen Verlauf er mit den Teilnehmern Qrte aufsucht, an denen die Erinnerung an die Verfolgung von Menschen durch die Nationalsozialisten lebendig wird.
Anlass für die Zeitreise in Celles Vergangenheit war der Jahrestag der Hetzjagd von Celler Bürgern auf ehemalige KZ-Häftlinge und Überlebende des Bombenangriffs auf den Güterbahnhof in Celle am 8. April 1945. Ein Ereignis, das von Zyniker auch als "Hasenjagd" bezeichnet wird. "Wenige Tage bevor der Krieg zu Ende war, hat hier ein Massaker stattgefunden, wie man es sich heute überhaupt nicht vorstellen kann", sagt Nils Nadrowski, während er den etwa 25 Teilnehmern des Rundgangs die Bedeutung des Mahnmals in den Triftanlagen erläutert.
Ausgangspunkt der zweistündigen historischen Stadtführung durch Celle ist die Synagoge, die in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zwar randaliert, aber glücklicherweise nicht in Brand gesteckt wurde. Der zweimal jährlich angebotene Rundgang führt weiter über Celler Häuser und Geschäfte in der Innenstadt, in denen einst Juden und Kommunisten lebten und arbeiteten. Danach geht es weiter zum Oberlandesgericht. Dort erfahren die Besucher etwas über Euthanasie-Opfer und die Verfolgung jüdischer Anwälte und Richter. "Wir wollen mit unserer Aktion die Orte kenntlich machen, an denen Menschen verfolgt wurde", sagt Rohde. Er erinnert daran, dass auch in der heutigen Gesellschaft noch immer Menschen ausgegrenzt werden.
"Ich habe die schreckliche Judenverfolgung hautnah miterlebt", erzählt Rundgangteilnehmerin Helga Kriese, die während der Reichspogromnacht zehn Jahre alt war. Als gläubige Christin und als Zeitzeugin interessiere sie sich für diesen Teil der Geschichte besonders, sagt sie. Reinhard Rohde freut sich vor allem darüber, dass an der unentgeltlichen Führung neben zahlreichen älteren Besuchern auch junge Menschen, die jene Zeit nur aus den Geschichtsbüchern kennen, teilgenommen haben. Brigitte Birch war mit ihrem Sohn Joshua sogar aus London angereist. "Ich besuche Verwandte in Celle. Da ich mich sehr für Geschichte begeistere, wollte ich bei dieser Stadtführung dabei sein", begründet sie ihr Interesse an dem Stadtrundgang der besonderen deren Art. Die nächste Zeitreise in Celles nationalsozialistische Vergangenheit findet zur Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November statt. Weitere Informationen unter (0 51 41) 90 79 27.
www.celle-im-nationalsozialimus.de

Aus: Cellesche Zeitung vom 14.04.2004

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