Kommission zu Rommel und Stülpnagel sowie zur „77er Straße“

Wehrmachtsgeneräle können kein Vorbild sein

Die Stülpnagel- und die Rommelstraße sollten umbenannt werden. Daran ließ die von der Stadt Celle einberufene Kommission auf der Veranstaltung Mitte November keine Zweifel. Die „77er Straße“ dagegen soll bleiben, allerdings soll an einem öffentlichen Ort in geeigneter Weise auf die Geschichte des Regiments und das Kriegsverbrechen von Tamines hingewiesen werden.

Vielleicht gelingt es auf Grundlage der Einlassungen der Kommission ja jetzt, die Mitglieder von CDU und Unabhängigen im Ortsrat Klein-Hehlen zu einer Zustimmung zur Straßennamensänderung zu bewegen. Öffentlich Stellung genommen hat bis heute leider niemand.

Grundsätzlich äußerte sich Dr. Jörn Ipsen, Professor am Institut für Kommunalrecht und Verwaltungswissenschaft der Uni Osnabrück:

„Ohne Ansehen der Biographie im Einzelnen halte ich bei Wehrmachtsgenerälen alle drei Funktionen der Straßenbenennung für nicht erfüllt. Weder verdienen die Heerführer, die als Werkzeuge Hitlers den Angriffs- und Vernichtungskrieg ermöglichten und durchführten, dass man sich ihrer in ehrenvoller Weise erinnert, noch können sie als Vorbild dienen. [...] Allerdings würde ich eine Ausnahme machen, wenn die Heerführer sich aktiv am Widerstand gegen Hitler beteiligt haben. Die Namen Ludwig Beck oder Witzleben mögen an dieser Stelle genannt sein. Allerdings erfordert diese Ausnahme doch einen genauen Blick auf die Biographie. Hat ein Heerführer sich der Kriegsverbrechen schuldig gemacht, so kann auch die Beteiligung am Widerstand diese nicht ungeschehen machen."

Die historische Einordnung durch Prof. Dr. Johannes Hürter vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin ließ in dieser Hinsicht keine Zweifel:

„Nichts spricht aber dafür, dass Rommel an den Vorbereitungen des Attentats beteiligt war. Mehr als eine begrenzte Mitwisserschaft ohne direkte Einbindung in die Verschwörung lässt sich für Rommel nicht feststellen. So gibt es keinen Grund, die Einschätzung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die Rommel nicht zu den Widerstandskämpfern zählt, zu revidieren.“ Alles in allem tauge er nicht zum Symbol für den Widerstand gegen Hitler. „Er ist vielmehr Inbegriff dafür, wie willig sich die deutsche Generalselite von einem Schurkenstaat instrumentalisieren ließ.“

Dagegen sei Stülpnagel unbestritten ein Mann des 20. Juli: „Doch gab es noch eine andere Seite dieses Widerstandskämpfers, die man nicht ignorieren oder bagatellisieren darf. Vom Feindbild des „jüdischen Bolschewismus“ beeinflusst, wirkte er an exponierter Stelle, als Oberbefehlshaber der 17. Armee, bis Oktober 1941 an der Vorbereitung und Durchführung des rassenideologischen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion mit. In seinem Befehlsbereich wurden „verbrecherische Befehle“ wie der Kommissarbefehl und der Kriegsgerichtsbarkeitserlass an die Truppe gegeben und umgesetzt. Zivilisten und Kriegsgefangene waren dadurch von vornherein der Willkür der deutschen Aggressoren ausgeliefert. Besonders schwer wiegt, dass die 17. Armee unter Stülpnagel den Judenmord begünstigte. Stülpnagel lenkte in mindestens zwei Befehlen die Antipathien und Repressalien der Wehrmacht auf den jüdischen Bevölkerungsteil. Außerdem forderte er in einer Denkschrift eine wirksamere Propaganda gegen die Juden, um das Verständnis der ukrainischen Bevölkerung für antijüdische Aktionen zu steigern. Ob gewollt oder nicht: Mit seinem Kurs, die Juden als Sicherheitsrisiko und „Sündenböcke“ zu behandeln, leistete Stülpnagel dem Judenmord Vorschub.“

Hürter fragte dann: „NS-Täter und Widerstandskämpfer, geht das zusammen?“ Seine Antwort: „So sehr wir uns innerlich dagegen sträuben: Leider ja!“ Aber: „Die Ambivalenz dieses Verhaltens zwischen Verbrechen und Widerstand lässt sich nicht auf einem Straßenschild abbilden. Daher sollte man diese Art von Gedenken im Fall Stülpnagel besser ganz unterlassen, auch mit Rücksicht auf die Opfer von Vernichtungskrieg und Holocaust.“

Dass mit Hürter der Experte für die Wehrmachtsgeneralität in der Kommission saß, erwies sich in der Diskussion durchaus als Vorteil. Einige Verteidiger Stülpnagels beriefen sich auf das wissenschaftlich unhaltbare Buch von Barbara Koehn. Hürter konnte ihre in rechten Publikationen zirkulierenden Legenden souverän zurückweisen.

Unqualifizierten Äußerungen sah sich – erwartbar – Jan Philipp Reemtsma von den Fans der Wehrmacht ausgesetzt. Seine Gedanke, dass es sich bei einer Straßennamensumbenennung nicht um eine Entehrung handelt, sondern nur um die Revozierung einer politischen Entscheidung, dürfte bei ihnen auf taube Ohren gestoßen sein: „Es gibt die Redewendung, hinterher sei man immer klüger. Das ist richtig. Aber so ist es eben: man lernt dazu, man hat neue und mehr Informationen und ist nun klüger als zuvor und klüger als die, die diese Informationen nicht hatten oder (auch das gibt es) sie für belanglos hielten. Man hat die Pflicht, von seinem Wissen, das man über das, was man beurteilt, nun eben hat.“

Nicht zu Unrecht wurde aus dem Publikum darauf hingewiesen, dass in Sachen Rommel und Stülpnagel seit der letzten Runde über Straßennamensumbenennungen (Hörstmann, Fuess, Miegel) im Jahr 2011 nur wenig Neues hinzugekommen sei. Etwas verklausuliert räumte Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende dies ein verbunden mit dem Hinweis, dass man seinerzeit vielleicht davor zurückgeschreckt sei, die überaus emotionale Diskussion mit weiteren Namen zu überfrachten.
Etwas schwerer tat sich die Kommission mit der Umbenennung der „77er Straße“. Jörn Ipsen machte aber deutlich, dass es dabei nicht um die Frage von Ehrungs- und Vorbildfunktion gehen könne: „Die Frage […] geht vielmehr dahin, ob die Erinnerung an ein Regiment gewissermaßen im Nachhinein erlöschen sollte, wenn dieser Truppenteil an Kriegsgräueln beteiligt war. Bei nüchterner Betrachtung ändert ein militärischer Einsatz in einem Krieg nichts daran, dass Celle seit Jahrzehnten Garnisonsstadt war und an diese Geschichte durch die Benennung einer Straße erinnert. Damit sollen Kriegsverbrechen nicht geleugnet oder verharmlost werden. Nur werden solche Einsätze von hierzu ernannten Vorgesetzten - Kommandeuren - befohlen, die für derartige Befehle die Verantwortung tragen [...] die Verantwortung für Kriegshandlungen [liegt] nicht bei einer Organisation als solcher, sondern jeweils bei dem Inhaber der Befehlsgewalt. Ich vermag deshalb keinen Grund zu sehen, warum die Erinnerung an Celles Geschichte als Garnisonsstadt getilgt werden sollte, weil das Regiment [...] Befehlen gehorcht hat, die gegen die Haager Landkriegsordnung verstießen."

Reemtsma wies darauf hin, dass „eine solche Namensbeibehaltung nicht ohne Hinweis auf das Massaker von Tamines tunlich ist. Es sollte ein Ort, und zwar bei der Straße selbst, gewählt werden, wo der Opfer des Verbrechens gedacht werden kann.“

Konsequenz: Neben dem Regimentsdenkmal am Neuen Rathaus soll eine Informationstafel zur Historie des Regimentes in deutscher und französischer Sprache installiert werden.

Wie geht sonst es weiter? Eigentlich ist der Ortsrat zuständig. Aber Jörn Ipsen bestätigte als Verwaltungsrechtler die Auffassung von OB Mende, der Rat könne die Straßenumbenennung an sich ziehen, weil es eine übergeordnete Frage (geworden) sei. Einfacher wäre sicher für alle Beteiligten, wenn sich die CDU-Mitglieder im Ortsrat zu einer Korrektur ihres Abstimmungsverhaltens vom vergangenen Frühjahr durchringen könnten.

Aus: revista. linke zeitung für politik und kultur in celle, Nr. 78, Febr./März 2016, S. 18-19.