Gewerkschaftlicher Widerstand gegen den Nationalsozialismus / Hans Funger (1891-1945) starb im Celler Zuchthaus

Auf dem Gräberfeld für „Opfer der NS-Gewaltherrschaft“ auf dem Waldfriedhof sind auch einige Widerstandskämpfer bestattet, die im Frühjahr 1945 im Celler Zuchthaus gestorben sind. Unter ihnen ist der aus Neuss stammende Gewerkschafter Hans Funger. Er wurde am 15. Februar 1937 durch die Gestapo verhaftet und am 7. Dezember 1937 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 9. Oktober 1944 wurde er in das Zuchthaus Celle verlegt, wo er am 11. April 1945 zu Tode kam.

Hans Funger wurde am 10. Dezember 1891 in Krefeld geboren. Nach dem Abschluss der Mittleren Reife arbeitete er ab 1910 als Eisenbahngehilfe in der Eisenbahndirektion Köln, wo er 1917 – wie schon sein Vater – ins Beamtenverhältnis übernommen wurde. In den Jahren 1926 und 1927 wurde er Mitglied der SPD und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, einer antifaschistischen Organisation zum Schutze der Weimarer Republik. Im Jahre 1928 übernahm Funger das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Krefelder Fachgruppe des Einheitsverbandes der deutschen Eisenbahner. Anfang 1932 wurde er nach Neuss auf den Posten eines Reichsbahnsekretärs im Bereich Güterverteilung versetzt.

Nach dem Verbot der Arbeiterparteien und der Zerschlagung der Freien Gewerkschaften durch die Hitler-Regierung im Frühjahr und Sommer 1933 organisierte Funger in Neuss eine sozialistische Widerstandsgruppe, die im Zusammenarbeit mit der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) agierte. Die ITF war ein internationaler Dachverband der Transportarbeitergewerkschaften mit Generalsekretariat in Amsterdam. Entlang der Schiffswege und des Eisenbahnnetzes wurden von dort konspirativ Verteilerstellen für illegale Druckschriften im Deutschen Reich aufgebaut. Der Gruppe um Funger schmuggelte illegales Material aus Venlo (Niederlande) nach Neuss, von wo es weiterverteilt wurde. Die antifaschistischen Flugschriften hatten hauptsächlich den Zweck, die Propaganda der Nationalsozialisten offen zu legen.

In einem Lagebericht der Gestapo Düsseldorf an das Reichsinnenministerium vom 6. Januar 1938 wurde die Widerstandstätigkeit so beschrieben: „Der bestehende Apparat im Westen Deutschlands umfasste das Gebiet von Emmerich bis Mainz und von Aachen bis Dortmund. [...] [Fungers] Aufgabe bestand zuerst darin, in allen größeren Städten Westdeutschlands, so in Köln, Aachen, Düsseldorf, Krefeld, Neuss, Duisburg, Essen, Hamm, Koblenz und Mainz in den Eisenbahn- und lebenswichtigen Betrieben Stützpunkte zu errichten. Als Funger dieses gelungen war, erfolgte die gebietsmäßige Einteilung des illegalen Gewerkschaftsapparates [...]. Es wurde vereinbart, dass Berichte, die sich auf die Stimmung der Arbeiterschaft in Betrieben, auf die Lebensmittelknappheit, auf den Materialmangel […] bezogen, an die ITF in Amsterdam gesandt werden sollten. Die Stützpunkte und Bezirksleiter mussten ihre Berichte bis 1936 an Heinrich Malina (Krefeld) und später an dessen Stelle an den Gebietsleiter Hans Funger senden, der sie an die ITF in Amsterdam weitergab.“

Aufgedeckt wurde die Arbeit der ITF durch die Verhaftung eines Kuriers im Februar 1937, in dessen Wagen über 500 illegale Druckschriften gefunden wurden, mit Titeln wie „15% Lohnerhöhung“, „Vertrauensratswahlen“, „Gemeinsame Hilfe gegen den Naziterror“, „Todesstrahlen“, „Sozialistische Warte“. In zwei Prozessen wurden 17 Widerstandskämpfer, darunter Hans Funger, angeklagt und verurteilt.

Im Oktober 1944 wurde Funger aus dem Zuchthaus Lüttringhausen ins Celler Zuchthaus verlegt, das in den letzten Kriegsmonaten zu einem "Ort besonderen Grauens" (Mijndert Bertram) wurde. Hatte es in Friedenszeiten pro Jahr durchschnittlich fünf Todesfälle pro Jahr unter den Insassen gegeben, so waren es 1944 schon 82.

Nachdem das Gefängnis durch "Evakuierungen" von Gefangenen anderer Anstalten restlos überbelegt wurde, starben im Januar 1945 17 Häftlinge, im Februar 36, im März 98 und bis zum Einmarsch der Briten am 15. April weitere 77 Insassen. Unter ihnen Hans Funger.

Die Familie erfuhr über Monate nicht seinem Tod. Am 5. April 1946 antwortete das Celler Zuchthaus auf eine Anfrage des Bruders von Funger wie folgt: „Ihr Bruder verstarb am 11.4.45 um 2.oo Uhr im hiesigen Anstaltslazarett an Ruhr. Sein Leichnam ist auf dem Anstaltsfriedhof beigesetzt worden, Grab N. 23. Eine Benachrichtigung von dem Ableben Ihres Bruders, an seine Ehefrau Frieda Funger, geb. Schuchardt, ist s. Zt. erfolgt. Durch die damaligen kriegsbedingten Verhältnisse der Post mag der Brief verloren gegangen sein. Der gesamte Nachlaß steht dem rechtmäßigen Empfänger zur Verfügung. Zu dem Nachlaß gehören noch außer Bekleidungsstücken 440,93 RM Arbeitsbelohnung! Diese Sachen können jederzeit (außer Sonntag) hier abgeholt werden. [...]“

Quellen: Flyer „Stolpersteine“ in Neuss - Lörickstraße 12 / Hans Funger.
Nelles, Dieter: Der Widerstand der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) gegen den Nationalsozialismus und Faschismus in Deutschland und Spanien. - In: Andreas G. Graf: Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin 2001, S. 114- 155.

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