SS-Schulungsstätte

Das SS-Heim in den 1930er Jahren (Westseite)StA Celle
Das SS-Heim in den 1930er Jahren (Westseite) <span>StA Celle</span>
Das SS-Heim an der Dammschwiese in den 1930er Jahren (Ostseite). <span>StA Celle</span>
Das ehemalige SS-Heim heute; seit 2010 Sitz der Niedersächsische Gedenkstättenstiftung.  <span>CC BY 3.0/Bernd Schwabe in Hannover</span>

Das Wohnhaus auf dem ehemaligen Anwesen von Albrecht Thaer ("Thaers Garten") am Ostende der Dammaschwiese wurde seit dem Juni 1934 vom SS-Sturm Celle III/17 genutzt. Zuerst stand in dem der Stadt gehörenden Gebäude nur ein Raum zur Verfügung, aber 1938 wurde das Haus zu einer Schulungsstätte für die SS ("Schutz-Staffel") umgebaut und dann vom August 1939 an bis 1945 genutzt.

Mitte 1933 befanden sich die Diensträume des SS-Sturms 3. III/17, der Teil der 17. SS-Standarte war, in der Lüneburger Straße 19 (genannt "Hermann Göring Haus“). Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits einen SS-Reitersturm, den SS-Motorsturm III/17 und eine SS-Kapelle. Am 24. August 1934 titelte das NS-Blatt Niedersächsische Tageszeitung: „Thaersgarten wird SS-Heim“. Das Anwesen Thaers Garten befand sich seit Anfang des Jahres im Besitz der Stadt und wurde der SS zu Verfügung gestellt. Die SS nutzte vorerst nur wenige Räume, aber der Sturmbann III/17 firmierte nun unter dieser Adresse. Als die notwendigen Arbeiten in Thaers Garten abgeschlossen waren, wurde das gesamte Gebäude in den Dienst der SS gestellt: Am 19. August 1939 beging der Sturmbann III/17, die Standarte verblieb im Telschow-Haus in der Trift, in großem Rahmen die „feierliche Indienstnahme“ des „SS-Heims auf Thaersgarten“. Der Celler Beobachter beschrieb das SS-Heim so:

"Jeder Raum im SS-Heim ist schlicht und ausdrucksvoll gehalten. Den Hauptraum bildet im Erdgeschoß der aus zwei ehemaligen größeren Räumen gewonnene Schulungs- und Feierraum. Sattbraun gebeizte Kiefer bildet die ein Meter hohe Wandverkleidung, ebenso ist alles Schnitzwerk des Raumes ohne irgendwelche nur störenden Zutaten schlicht aus Kiefernholz gearbeitet und gleichfarbig gebeizt. Den Blick fängt beim Eintreten sogleich das große, gleichfalls geschnitzte Hoheitszeichen, das in der Flügelspannung 2,50 Meter mißt. „Meine Ehre heißt Treue!“ lautet das ebenfalls aus Holz gearbeitete, im Runenstil gehaltene Wort des Führers, das unter dem Hoheitszeichen zu lesen ist. Runen waren gleichfalls Vorbild für die Wandleuchter. Im Erdgeschoß sind noch zwei Zimmer und zugehörige Zeugkammern für den Sturm 12/17 gelegen. Im Obergeschoß befinden sich das Sturmbannführerzimmer, das Arbeitszimmer des Adjutanten, des Verwaltungsführers sowie die Kammer des Sturmbannes. Außerdem ist im Obergeschoß eine Dienstwohnung für den SS-Heimhauswart ausgebaut worden."

Im Zweiten Weltkrieg war in Thaers Garten ein Reservelazarett untergebracht, 1943 war das Gebäude für die „Unterbringung der Kriegsgeschichtl. Forschungsabteilung der Waffen-SS“ im Gespräch.

Die in Celle gebürtige Künstlerin Silke Schatz beschäftigte sich in einer Ausstellung in der "Gotischen Halle" im Jahr 2006 mit ihrer Familiengeschichte. Eine Arbeit bezog sich dabei auf ihren Großvater, den SS-Offizier Erich Schatz (1909-1963), der als Verwalter im SS-Heim Thaersgarten tätig war. Später war der SS-Offizier an der "Partisanen- und Bandenbekämfung" an der Ostfront beteiligt und hatte ein Zwangsarbeiterlager in der Lüneburger Heide geleitet. Im Ausstellungskatalog schreibt Schatz zu seiner weiteren Geschichte: 

"Da 1945 ehemalige polnische Zwangsarbeiter nach ihm suchten, versteckte er sich gemeinsam mit seiner Geliebten, die er auf der Flucht durch die russisch besetzte Zone kennen gelernt hatte, in einer Jagdhütte im Landkreis Celle. Als sie drohte, ihn als SS-Offizier bei den Amerikanern anzuzeigen, ermordete er sie - höchstwahrscheinlich. Erst ein Jahr später wurde ihr Skelett gefunden. In einem Aufsehen erregenden Prozess wurde er deswegen vom Landgericht Lüneburg in den 1950er Jahren verurteilt und in zweiter Instanz aus Mangel an Beweisen freigesprochen.  Nach gescheitertem Neuanfang und finanziellem Ruin nahm er sich mit Gift das Leben, 1963 auf einem Feldweg in Hitzacker." (Shah 2006, 21-22.)

Seit dem Jahr 2010 ist das Gebäude auf Ostende der Dammaschwiese Sitz der Niedersächsischen Gedenkstättenstiftung. Das Wirken der im Jahr 2004 gegründeten Stiftung dient dazu,

  • der Opfer des Nationalsozialismus würdig zu gedenken und eine nachhaltige Beschäftigung mit ihren Lebensgeschichten zu ermöglichen;
  • die Orte der nationalsozialistischen Verfolgung sowie die Erinnerungen und Zeugnisse der Verfolgten dauerhaft zu bewahren, zu dokumentieren, zu erforschen und zugänglich zu machen;
  • das Wissen über den Nationalsozialismus, seine Ursachen und Folgen zu mehren und zu vermitteln;
  • die historisch-politische Bildung zum Nationalsozialismus und zu seinen Verbrechen zu fördern und zur Reflexion auf die Gegenwart anzuregen.

Literatur: Schah 2006

Adresse
Im Güldenen Winkel 8, 29223 Celle
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