"Ernste Bibelforscher" (Zeugen Jehovas)

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KZ-Kennzeichnung „Bibelforscher“
KZ-Kennzeichnung „Bibelforscher“
gemeinfrei

Die Glaubensgemeinschaft der "Ernsten Bibelforscher“ (Zeugen Jehovas) wurden in Preußen bereits im Juni 1933 verboten und anschließend verfolgt – unter anderem wegen ihrer Weigerung, Kriegsdienst zu leisten oder sich dem Führerkult unterzuordnen (Verweigerung des Hitler-Grußes). 

Die kleine Celler Gruppe der Zeugen Jehovas hielt trotz des Verbots weiterhin Zusammenkünfte ab – u.a. in der Wohnung von Rudolf Spannhoff, Hannoversche Straße 12 – und beteiligte sich an der Verteilung von Flugschriften in Hannover, Hildesheim und Celle.

Daraufhin wurden im Oktober 1937 Rudolf Spannhoff, Hans Wosniak, Heinrich Hille, Albert Häsig, Gustav Klabunde und Friedrich Hornbostel verhaftet. Gemeinsam mit elf weiteren Personen (darunter die Ehefrauen der Erstgenannten) wurden sie im November 1937 vor dem Sondergericht Hannover angeklagt, gemeinschaftlich handelnd gegen das Verbot der „Internationalen Bibelforschervereinigung“ (IBV) verstoßen zu haben. In der Anklageschrift heißt es:

In sogenannten Zellen kamen die Mitglieder in kleinen Kreisen zusammen. [...] insbesondere der illegale „Wachturm“ ging[en] den leitenden Persönlichkeiten zu und wurden von Hand zu Hand weitergegeben. Im Besitz einzelner Mitglieder befanden sich noch größere Mengen von Büchern und Broschüren aus der Zeit vor dem Verbot, die teilweise weitergegeben wurden. Auch durch die Verteilung von Flugblättern versuchten die Mitglieder der IBV. zu werben. So wurde von einigen Angeschuldigten das Flugblatt „Resolution“ [...] mit in Hannover verteilt. [...] Auch das Flugblatt „Offener Brief“ [...] wurde mit von den Anhängern der IBV. in Celle verteilt.

In den erwähnten Flugschriften machten die Zeugen Jehovas reichsweit 1936/37 auf ihre Unterdrückung aufmerksam. Bei diesen Aktionen wurden etwa 100.000 Flugblätter verbreitet. Zehn der Angeklagten wurden im Dezember 1937 zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Hans Wosniak schilderte in den ersten Nachkriegsjahren seine Verfolgungsgeschichte so:

Von meiner Verheiratung 1922 bis Oktober 1937 wohnte ich mit meiner Familie in Celle, Marienstr. 4 und wurde im Oktober 1937 verhaftet, dann vom Sondergericht Hannover zu 1½ Jahren Gefängnis verurteilt. § 4 Schutz gegen Volk und Staat, Heimtückegesetz (weil ich Bibelforscher war). Ich bin in den Gefängnissen Celle, Hannover, Fuhlsbüttel und Hamburg gewesen. In den Jahren 1933 bis 37 fanden sehr oft Haussuchungen und Beschlagnahmungen von Büchern und Druckschriften statt. Diese Haussuchungen wurden auch des Nachts ausgeführt. Außerdem fanden Vernehmungen von der Gestapo und der Kriminalpolizei statt. Bemerken möchte ich noch, dass ich von der Gestapo schwer misshandelt wurde.

Da uns die Nazis nicht die notwendige Unterstützung zahlten, waren wir gezwungen unsere Vierzimmerwohnung abzugeben und wohnen bis heute (8 Jahre) bei meiner Mutter als Untermieter unter ganz primitiven Verhältnissen. [...]

Mein Sohn wurde von der Mittelschule verwiesen, weil er den Hitlergruß verweigerte und auf Betreiben des Rektors Kielhorn von seinen Mitschülern so oft geschlagen und getreten, so dass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.

Literatur:  Hermann 1997