Die drei Schlachten des Freiherrn von Fritsch

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Werner Freiherr von Fritsch (1880-1939)
"Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarz-Rot-Gold und Franzosen alles das Gleiche, nämlich die Vernichtung Deutschlands". Werner Freiherr von Fritsch (1880-1939)
CC-BY-SA 3.0/Bundesarchiv, Bild 183-R16862

Die drei Schlachten des Freiherrn von Fritsch oder Traditionspflege der Bundeswehr am Beispiel Celle-Scheuen

Wenn man den Ort Scheuen auf der Landstraße Richtung Hermannsburg verläßt, liest man rechts einen Wegweiser zur "Freiherr-von-Fritsch-Kaserne" und wird ihn im Normalfall nach ein paar Sekunden auch wieder vergessen haben. Der eine oder andere weiß vielleicht noch davon, daß Fritsch ein General im Nationalsozialismus gewesen ist und wird sich eventuell noch daran erinnern, daß er einst im Geschichtsbuch von der Fritsch-Krise gelesen hat.
Und doch ist es interessant, genauer zu wissen, wer Fritsch war und warum in Celle eine Bundeswehr-Kaserne nach ihm benannt ist.
Werner Freiherr von Fritsch lebte von 1880 bis 1939 und war seit 1934 als Chef der Heeresleitung und von 1935 bis 1938 als Oberbefehlshaber des Heeres verantwortlich für den Aufbau der Nazi-Armee, mit der Hitler-Deutschland dann die Staaten Europas überfiel und den 2: Weltkrieg begann. Fritsch betrieb laut Militärgeschichtlichem Forschungsamt der Bundeswehr "eine von allen Hemmungen befreite Aufrüstung" und wußte, als nach eigenem Bekunden fleißiger Leser von Hitlers "Mein Kampf', wofür er es tat.

Fritsch war ein nationalistischer Antidemokrat. Er bezeichnet das erste frei gewählte Staatsoberhaupt Deutschlands, den Reichspräsidenten Friedrich Ebert als "Schweinehund" und gehörte zu den Feinden der Weimarer Republik. Für ihn waren "Pazifisten, Juden, Demokraten, Schwarzrotgold n(nd) Franzosen alles das Gleiche, nämlich die Leute, die die Vernichtung Deutschlands wollen."

Fritsch befürwortete die Ziele Hitlers und wenn später von Autoren behauptet wurde, er wäre Kriegsgegner gewesen, dann berufen sie sich wenig überzeugend meist auf Entgegnungen Fritschs gegenüber Hitler, als letzterer seinen Entschluß ankündigte, mit Waffengewalt gegen Österreich und die Tschechoslowakei vorzugehen. Fritsch äußerte Bedenken, weil er ein Eingreifen Frankreichs und Großbritanniens fürchtete, nicht weil er die Kriegspläne Hitlers an sich ablehnte, die er ja durch Aufrüstung mittrug. So schreibt der Historiker Klaus-Jürgen Müller von der Hochschule der Bundeswehr Hamburg: "In der bekannten Besprechung vom 5. November 1937 in der Reichskanzlei begründete Hitler seine geplante kriegerische Expansionspolitik unter anderem auch mit dem Zeitdruck, in den man durch den von der deutschen Aufrüstung ausgelösten Rüstungswettlauf hineingeraten sei. Daß Hitler derart argumentieren konnte, war nicht zuletzt das Ergebnis der "Militärpolitik der Heeresführung".
Wenn Fritsch dann 1938 vom Posten des Oberbefehlshaber des Heeres beurlaubt wurde, weil die Polizei und später die Gestapo gegen ihn wegen des Verdachts homosexueller Betätigung ermittelten und Hitler ihn nach einem Gutachten des späteren Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi entließ und den Vorwurf vor dem Reichskriegsgericht, welches ihn später freisprach, klären ließ, dann sicher nicht, weil er Hitler politisch unbequem geworden war, wie es die Fritsch-Biographen, z. B. dessen Neffe, der spätere NATO-General Graf Kielmansegg, bei der Schilderung der sog. Fritsch-Krise in der Nachkriegszeit gern darstellten.

Fritsch war seit dem 30. Januar 1937 Träger des Goldenen Parteiabzeichens, der höchsten Auszeichnung, die der NS-Staat zu verleihen hatte, und mit Fritsch ging diese Auszeichnung, die er auch hätte ablehnen können; wie es der Post- und Verkehrsminister Baron von Eltz getan hat, sicher nicht an den Falschen. Fritsch, der durch die Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner, Jakob Kaiser und Max Habermann in Denkschriften 1936 und 1937 auf die entwürdigende und brutale Behandlung der Arbeiterschaft und der Juden hingewiesen wurde, schrieb nach seiner Entlassung durch Hitler am 22. November 1938, also nach der "Reichskristallnacht": "Bald nach dem Kriege kam ich zur Ansicht, daß 3 Schlachten siegreich zu schlagen seien, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte. 1. die Schlacht gegen die Arbeiterschaft, sie hat Hitler siegreich geschlagen 2. gegen die katholische Kirche (...) u. 3. gegen die Juden. In diesen Kämpfen stehen wir noch mitten drin. Und der Kampf gegen die Juden ist der schwerste. Hoffentlich ist man sich über die Schwere dieses Kampfes überall klar."

Im Traditionserlaß der Bundeswehr heißt es: "Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen: "Trotzdem hat man fünf Kasernen im Bundesgebiet nach Fritsch benannt und zwar aus folgendem Grund: Als man nach dem 2. Weltkrieg gegen den Kommunismus mobilisierte und die Bundeswehr aufbaute, griff man auch ungeniert wieder auf Nazi-Militärs zurück und war daher genötigt, deren Rolle im Nationalsozialismus zu verklären. So schreiben Karl-Heinz Janßen und Fritz Tobias in ihrem :Buch "Der Sturz der Generäle", das mit vielen Legenden um Fritsch aufräumt:
"Das geschönte Bild von der Fritsch-Krise entstand bereits Ende der vierziger Jahre (...). Die mit Geheimnissen umrankte Blomberg-Fritsch-Affäre eignete sich hervorragend dazu, dem militärischen Widerstand gegen Hitler, der viel zu spät eingesetzt hatte und dann auch noch erfolglos geblieben war, eine lange Tradition zu geben und somit die unbestreitbare Mitschuld der Wehrmacht an der Niederlage und ihre Beteiligung an ungeheuerlichen Verbrechen erträglicher zu machen und zu relativieren. Um die Ehre der Armee zu retten, wurden ehedem loyale, nationalsozialistische Offiziere zu überzeugten Kriegsgegnern und Widerstandskämpfern der ersten Stunde hochstilisiert." Heute schickt sich die Bundeswehr angeblich an, Humanität in der Welt zu verbreiten, obwohl sie es noch nicht einmal geschafft hat, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten und Nazis zu Vorbildern für Soldaten erklärt. In Celle sollte dies ebenso wenig geduldet werden, wie in Füssen und Mittenwald, wo sich Verteidigungsminister Rühe im letzten Jahr nach langen Protesten (übrigens auch von Soldaten) endlich dazu durchgerungen hat, Kasernen mit "braunen Namen" umzubenennen. Eine Stadt, die so nah an Bergen-Belsen liegt, ist nicht der richtige Ort, denjenigen, der 1934 erließ, es müsse "eine Selbstverständlichkeit sein, daß der Offizier sich seine Frau nur in den arischen Schichten des Volkes suche", zu ehren.

Quellen:
Bundesausschuß der VVN-Bund der Antifaschisten, antifa-rundschau, Oktober-Dezember 1995, München
Peter Hoffmann: Widerstand Staatsstreich Attentat, München 1969
Karl-Heinz Janßen / Fritz Tobias: Der Sturz der Generäle, München 1994
Manfred Messerschmidt: Die Wehrmacht im NS-Staat, in: Karl Dietrich Bracher / Manfred Funke / Hans-Adolf Jacobsen (Hg.): Deutschland 1933-1945 - Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn 1993
Klaus-Jürgen Müller: Der nationalkonservative Widerstand 1933-1940, in: ders., Der deutsche Widerstand 1933-1945, Paderborn 1986
Leo Poliakov / Josef Wulf: Das Dritte Reich und sein Diener, Berlin
Ulrich Sander: Who is who in der Militärtradition: Kasernennamen der Bundeswehr und was sie bedeuten; Wuppertal 199
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Aus: Publiz. Politik und Kultur aus Celle, Febr./März 1997, Nr. 22, S. 17-18