Arisierung des Kaufhauses Meyer

Arisierung des Kaufhauses Meyer

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Hamburger Engros Lager, Großer Plan 2/3, nach der Neueröffnung im Jahr 1905
Hamburger Engros Lager, Großer Plan 2/3, nach der Neueröffnung im Jahr 1905
StA Celle

"Aus massiven stadtplanerischen Interessen heraus hat sich in der Folgezeit vor allem die Stadt Celle bei den 'Arisierungen' der jüdischen Grundstücke und Häuser beteiligt," schreibt Sibylle Obenaus, und belegt dies detailliert anhand der Verkaufsverhandlungen zwischen Robert Meyer und der Stadt Celle:

"Am 3. Dezember 1938 war die 'Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens' erlassen worden, die u.a. die Zwangsveräußerung der Juden gehörenden Häuser und Grundstücke vorsah. Alle anderen Celler Juden mit Haus und Grundbesitz wurden daraufhin bis zum Frühjahr 1939 zum Verkauf und zur Auswanderung gezwungen, nur bei Meyer hat sich dieser Prozeß länger hingezogen. [...] Für Robert Meyer begannen zweieinhalb Jahre demütigender, letztlich erfolgloser Bemühungen um Eigentum und Wohnrecht, dann um die Freigabe seines Geldes für die beabsichtigte Emigration in die USA und die Erlangung eines Passes. Wie kam es zu dieser Sonderrolle? [...] Von Anfang an zeigte die Stadt Celle, vertreten durch Oberbürgermeister Meyer, [...] ein massives Interesse an dem so zentral gelegenen Meyerschen Besitz. [...] und so verkaufte Meyer über den Makler Aue am 4. März 1939 die Grundstücke und Gebäude an die Stadt ... Der Kaufpreis sollte 200000 RM betragen, die Auflassung allerdings erst zum 1. Oktober 1941 erfolgen. Damit waren Robert Meyer in den nächsten Monaten zunächst die Hände gebunden. Denn beiden Verträgen mußte noch der Regierungspräsident in Lüneburg zustimmen, und mit ihrem Antrag hatte es die Stadt nicht eilig. ... Da man sich über die städtebaulichen Veränderungen noch nicht ganz klar war, blieben die Verträge zunächst liegen; auf über Makler Aue erfolgende Anfragen Meyers, ob der Kaufvertrag genehmigt sei, wurde hinhaltend geantwortet. [...] Am 30. November 1940 kündigte er dem Oberbürgermeister seine beabsichtigte Emigration zu seinen Kindern in die USA an. Deshalb bat er um beschleunigte Auflassung und anschließende Auszahlung des Kaufpreises [...] Am 23. Dezember 1940 wurde Meyer erstmals ins Gerichtsgefängnis eingeliefert, am 15. Januar aber wieder aus der Schutzhaft entlassen. [...] Aus der Haft mahnte er Heiligabend 1940 in einem Schreiben an den Oberbürgermeister wiederum dringend die Durchführung des Vertrages an [...] Inzwischen waren aber .. neue städtebauliche Maßnahmen ins Auge gefaßt worden. [...] Am 25. März 1941 notierte der Oberbürgermeister, die endgültige Entscheidung über die Meyerschen Grundstücke um weitere zwei Monate zurückstellen zu wollen. Im April 1941 wurde erneut als Interessent für die Liegenschaften Meyers der Celler Kaufmann Gustav Müller beim Oberbürgermeister vorstellig. [...] Schon am 29. Januar und am 22. November 1940 hatte er den Kauf der Grundstücke im Tausch gegen sein Geschäftshaus in der Hehlentorstraße mündlich angeboten. [...] Meyer hielt den städtischen Erwerb von Grundstücken auf der Westseite  der Straße für dringend notwendig. [...] So schloß die Stadt nach kurzem Zögern am 24. April 1941 mit Gustav Müller einen Tauschvertrag ab. [...] Gegenüber Robert Meyer gab sie eine formelle Erklärung ab: Sie verzichte auf den Erwerb der Grundstücke Großer Plan 2-3 und Südwall 5A in Celle, der Kaufvertrag vom 4. März 1939 habe für ihn somit keinerlei Bindung mehr. Am 25. April 1941 verkaufte Robert Meyer .. seien beiden Grundstücke an Gustav Müller. [...] Die vorgeschriebene Abwicklung des Vertrags nahm dann noch mehrere Monate in Anspruch. Erst am 3. November 1941 konnte Meyer an den Oberbürgermeister/Stadtkämmerei seinen Antrag auf Ausstellung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung stellen. [...] Aber für eine Emigration war nun der Zeitpunkt verpaßt: Schon am 23. Oktober 1941 war in einem geheimen Erlaß des Reichssicherheitshauptamtes .. die Auswanderung von Juden aus Deutschland mit Blick auf die territoriale Endlösung für die Dauer des Krieges verboten worden." (S. 193-201)

Obenaus, Sibylle (1996): Isidor und Robert Meyer, Großer Plan 2-3: Eine Celler Kaufmannsfamilie; in: Juden in Celle. Biographische Skizzen aus drei Jahrzehnten. Celle, S. 173-204.